Shinichi Suzuki

17. Oktober 1898 – 26. Januar 1998


 

Philosoph


Shinichi Suzuki widmete sich Zeit seines Lebens der Verfeinerung seiner
Unterrichtsphilosophie, wonach jedes Kind auf jedem beliebigen Gebiet
durch entsprechende Erziehung ein sehr hohes Niveau erreichen kann.
Sein besonderes Augenmerk galt dabei dem Geigenunterricht und der
Entwicklung der muttersprachlichen Methode oder Talenterziehung.
Suzuki wandte sich radikal von dem traditionellen Ansatz des
Musikunterrichts ab, denn er war überzeugt, dass jedes Kind lernen kann
und nicht aus Mangel an Talent, sondern durch das Fehlen des richtigen
Umfelds und liebevoller Zuwendung darin eingeschränkt ist.
Kernpunkt seiner Philosophie ist eine tiefe Liebe und Achtung vor dem
Kind und seiner unbegrenzten Entwicklungsfähigkeit. Ähnlich dem
Kleinkind, das zuerst Sprechen und später Lesen lernt, gründete Suzuki
seine Methode auf Gehörschulung anstatt darauf, als Erstes Noten lesen zu lernen.
Eltern und Lehrer begleiten jeden kleinen Schritt, den das Kind meistert,
mit Lob und Ansporn. Auf diese Weise beginnt die Verfeinerung mittels
fortwährendem Wiederholen und die Entwicklung hin zu technischer
Brillanz nach dem Prinzip „zuerst der Charakter, dann die Fertigkeit“.

Geiger

Suzuki entstammte einer wohlhabenden Familie in Nagoya, Japan.
Sein Vater war Inhaber einer Fabrik, die traditionelle japanische
Saiteninstrumente herstellte. 1888 fertigte Masakichi Suzuki seine erste
Geige, und daraus erwuchs schließlich das weltgrößte Unternehmen im
Geigenbau. Shinichi Suzuki war dazu bestimmt, das Unternehmen seines
Vaters zu übernehmen, aber mit siebzehn hörte er eine Aufnahme mit
Mischa Elman und wurde durch dessen Wiedergabe von Schuberts
„Ave Maria“ so angerührt, dass er begann, sich das Geigenspiel selbst
beizubringen. Er machte gute Fortschritte, und ein japanischer Adliger aus
der Tokugawa-Familie riet ihm, zuerst einmal nach Tokio zu gehen, wo er
bei Ko Ando – einem Schüler Joseph Joachims – studierte.
Dann folgte 1921 ein gründliches Studium im Ausland. In Berlin studierte
er bei Karl Klingler, ebenfalls ein Schüler Joachims. Während eines seiner
vielen Berliner Hausmusikabende mit seinem Freund Albert Einstein
begegnete er der gebürtigen Berlinerin Waltraud Prange und heiratete sie
im Jahr 1928. Nach seiner Rückkehr nach Japan gründete Suzuki mit seinen
Brüdern ein Streichquartett und unternahm mit ihnen Konzertreisen.
1930 wurde er Präsident der Teikoku-Musikschule und Leiter des Tokioer
Streichorchesters. 1933, während einer Probe mit seinem Quartett,
erkannte Suzuki, welchen Einfluss Sprache auf Kinder hat; dass jedes Kind
über das Hören ohne Schwierigkeit Sprechen lernt, indem es jede feine
Schattierung und Melodie selbst der schwierigsten Sprachen nachahmt
und übt, bis es sie fehlerfrei beherrscht, wobei Eltern und Erwachsene es
mit liebevollem Lob anspornen. 1946 erprobte Suzuki seine Methode
erstmals an einer Grundschule in Matsumoto und erzielte beachtliche
Erfolge. Dort gründete er sein Talent-Erziehungsinstitut.

Erzieher

Nach positiven Kritiken in der New York Times und einer erfolgreichen
Tournee mit zehn Kindern durch die USA im Jahr 1964, kam ein ständiger
Strom interessierter Musiker und Musikerzieher nach Matsumoto,
um bei Suzuki zu studieren, den Unterricht zu beobachten und die
muttersprachliche Methode zu erlernen. Aufgrund des rasant wachsenden
weltweiten Interesses an der Suzuki-Methode entwickelte Suzuki ein
System zur Lehrerausbildung, und es entstanden Gesellschaften in
Nord- und Südamerika (SAA), Europa (ESA), dem Pan-Pazifik-Raum (PPSA),
Asien (ASA) und Japan (TERI).
Jede dieser Gesellschaften veranstaltet Konzerte und bietet
Lehrerausbildung in den verschiedenen Suzuki-Instrumenten an, die
mittlerweile Geige, Bratsche, Cello, Kontrabass, Klavier, Harfe, Gitarre,
Querflöte und Blockflöte umfassen. Suzuki selbst war unermüdlich
bestrebt, in der liebevollsten und gründlichsten Art und Weise zu erziehen.
Viele seiner ehemaligen Schüler haben eine glänzende Karriere in
Orchestern, an Konservatorien und auf Konzertbühnen gemacht.
Im Laufe seines Lebens hat er viele Ehrendoktorwürden erhalten, wurde
vom japanischen Kaiser zum lebenden nationalen Schatz ernannt und für
den Friedensnobelpreis nominiert. Er verstarb friedlich im Schlaf zu Hause
in Matsumoto. Er war die Verkörperung seiner Philosophie:
„Wo tiefe Liebe ist, lässt sich viel erreichen.“